Nach einigen Verzögerungen steht der Abbruch des alten Hertie Kaufhauses kurz bevor. Die Firma Peter Glindemann aus Grevenkrug erhielt von der Stadt den Auftrag, die Ruine einschließlich der beiden benachbarten Häuser Stadtweg 68 und 70 abzubrechen.
Rückblende: Die Firma Grimme aus Rendsburg eröffnete im September 1965 ihren modernen Neubau im Stadtweg. Bei Grimme gab es alles für Haushalt und Freizeit. „Alles unter einem Dach“ war auch das Motto von Karstadt nach der Fusion mit Grimme 1971.

Damals waren bis zu 350 Personen im Kaufhaus beschäftigt. Familiär ging es zu, Karstadt kümmerte sich gut um seine Mitarbeiter. Rebekka Jordan, damalige Betriebsratsvorsitzende, erinnert sich: „Wir waren stolz sagen zu können, dass wir bei Karstadt arbeiten.“

Den Anfang vom Ende läutete der Verkauf der KarstadtQuelle-Filialen an den Londoner Finanzinvestor „Dawnay Day“ im Jahr 2005 ein, die Häuser wurden unter dem Namen Hertie weitergeführt. Drei Jahre später meldete „Dawnay Day“ Insolvenz an, nach dem Räumungsverkauf wurde die Hertie-Filiale Schleswig im Sommer 2009 geschlossen. Eigentümer blieb weiterhin „Dawnay Day“, das Unternehmen blieb der Stadt Grundsteuer und Straßenreinigungsgebühren schuldig. Daraufhin beantragte die Stadt die Zwangsversteigerung, der Eigentümer bezahlte aber kurz vor den Terminen die offenen Rechnungen.

Im März 2016 gelang es der Stadt endlich, die Hertie-Ruine, die mittlerweile schon durch Brandstiftungen Schaden genommen hatte, für 1,75 Millionen Euro anzukaufen. Ende 2017 erwirbt die Stadt zusätzlich das Haus Stadtweg 70.

Der nun beginnende Rückbau der Gebäude Stadtweg 66, 68 und 70 ist der Startschuss für die große Innenstadtsanierung. „Der Abbruch der Hertie-Ruine ist ein Befreiungsschlag, auf den die Schleswiger lange warten mussten.“ so Bürgermeister Dr. Arthur Christiansen. „Schwierigkeiten bereite nicht die Hanglage, sondern die unterschiedlichen Höhen der Wasserläufe.“
Bauleiter Dipl.-Ing. Jörn Wiese erklärt das weitere Vorgehen: „Wir werden in den nächsten Wochen noch Gespräche mit dem Ordnungsamt führen. Anschließend wird der Hertie-Keller mit Flüssigboden verfüllt, um ein Aufschwemmen der Sohle zu verhindern. Nach der Schadstoff-Entfernung und der Entkernung rücken die Maschinen an.“Der Abbruch kostet gut 1,7 Millionen Euro und dauert sechs Monate. Als Erstes fällt das Haus Nr.68 um Platz für die Baufahrzeuge zu schaffen. Die Hertie-Ruine wird von West nach Ost abgebrochen, Straßensperrungen werden, wenn überhaupt, nur kurzzeitig eingerichtet.

Die entstehende Sandfläche wird nicht lange bleiben – mehrere Investoren meldeten bereits Interesse an dem Hertie-Grundstück an. „Wir möchten dort einen nachhaltigen Einzelhandel ansiedeln.“ betont Christiansen. Auf der Grundfläche des Eckhauses Nr.70 entsteht, als westliches Portal zum Stadtweg, ein attraktiv gestalteter Platz.

 

Der Karstadt-Stammtisch

Die zum Abbruch vorgesehene Hertie-Ruine war einst das erste und größte Kaufhaus in Schleswig. Die Ausstattung war innovativ, wie beispielsweise die hauseigene Telefonanlage, elektrische Aufzüge und eine Rolltreppe. Am 21.September 1965 eröffnete die Firma Grimme ihren modernen Neubau im Stadtweg. Die Schleswiger bekamen damit eine Einkaufsstätte, in der alles für den Haushalt unter einem Dach angeboten wurde. „Alles unter einem Dach“ war auch das Motto von Karstadt nach der Fusion mit Grimme 1971.

„Niemand hätte sich damals vorgestellt, dass das Haus eines Tages geschlossen wird.“ erinnert sich Regina Plonski. Die ehemalige Verkäuferin arbeitete seit 1968 bei Grimme und später bei Karstadt in der Wäsche- und Miederabteilung.
Regina Plonski ist eine der ehemaligen Karstadt-Mitarbeiterinnen, die mit dem Ende von Karstadt 2005 aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Seitdem treffen sich die Ehemaligen einmal monatlich in lockerer Runde, um die gute Karstadt-Zeit Revue passieren zu lassen. Damals, in den guten Zeiten, waren bis zu 350 Personen im Kaufhaus beschäftigt. Verkäuferinnen, Sekretärinnen, Dekorateure, Haustechniker, Fahrstuhlführer, Parkplatzwächter – allen gab das Kaufhaus Arbeit.

Der Karstadt-Stammtisch 2017

Familiär ging es zu, Karstadt kümmerte sich gut um seine Mitarbeiter. Rebekka Jordan, damalige Betriebsratsvorsitzende, erinnert sich: „Wir waren stolz sagen zu können, dass wir bei Karstadt arbeiten. Wir bekamen Tarifgehalt, 14 Gehälter, Zuschüsse für Brille und Zahnersatz.“ Die Personaleinkäufe sind in lebhafter Erinnerung geblieben: „Wir durften mit unseren Familien regelmäßig am Personaleinkauf teilnehmen. Nach Ladenschluss kamen wir durch den Personaleingang, das Haus und das Restaurant waren dann voller Menschen.“
Mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers Herrn Bader 1985 änderten sich die Zeiten. „Es gab Kürzungen bei den Zusatzleitungen, Personalrabatten und der Betriebsrente. Durch die wechselnden neuen Geschäftsführer änderte sich auch der Umgangston im Haus.“ erzählt Rebekka Jordan. Durch die Fusion mit Quelle 1999 entstand ein großer Konzern, die einzelnen Häuser verloren an Bedeutung. „Die Stimmung in den Häusern wurde schlechter, es machte sich Angst um den Arbeitsplatz breit. Zusammen mit 73 anderen Häusern wurde der Standort Schleswig 2004 zur Projektfiliale, wir wussten, dass das kein gutes Ende nimmt.“ Auch die Mahnwachen donnerstagabends im Herbst 2004 änderten nichts an der Entwicklung – am 3.August 2005 kam Hertie.

„Nach Ablauf der Kündigungsfrist mussten wir von heute auf morgen gehen“, erzählt Anneliese Czöczock aus der Buch- und Schreibwarenabteilung: „Als wir am 3.August 2005 zur Arbeit kamen, wurden wir an der Stempeluhr vom Pförtner abgefangen und zur Personalabteilung geschickt. Man forderte uns auf, unsere Sachen einzupacken und das Haus zu verlassen. Als Kunden waren wir jedoch weiterhin willkommen.“ Von den 32 Mitarbeitern entschieden sich 24 für die Abfindung. Ihre Kollegin Karen Haberstock ergänzt: „Um den Betrieb aufrecht halten zu können, beschäftigte Hertie Personal von Drittfirmen.“ Nach dem Räumungsverkauf hat das Kaufhaus im Sommer 2009 seine Türen für immer geschlossen.

 

 

Galerie

 

 

Stadtweg wegen des Hertie-Gebäude-Abrisses gesperrt

 Historisch gewachsen im doppelten Wortsinn beginnt am Dienstag, 12. Juni, der Abriss des Gebäudes Stadtweg 68. Im Zuge der Abrissarbeiten des Hertie-Gebäude-Ensembles ist der Stadtweg wegen der Bauarbeiten ab Montag, 11. Juni bis Freitag, 22. Juni, jeweils in der Zeit von 10.30 Uhr bis 18. Uhr für voll gesperrt. Es handelt sich um eine Vollsperrung in Höhe Stadtweg 66/68 an der Ausfahrt aus der Fußgängerzone. Entsprechende Verkehrszeichen werden errichtet und Absperrschranken installiert. Ferner werden der Gehweg und eine halbseitige Straßensperrung in Höhe des Stadtwegs 68 mithilfe einer Aufstellung eines Bauzauns abgesichert. Zusätzlich kommt es permanent oder auch temporär zu Absperrungen in folgenden Verkehrsbereichen: In der Moltkestraße in Richtung Stadtweg wird der östliche Gehweg ab Fußgängerüberweg Michaelisallee gesperrt. Der Gehweg nicht mehr zu nutzen. Weiterhin ist für den gesamten Zeitraum eine Durchfahrt vom Stadtweg zur Poststraße für Lastkraftwagen und Busse komplett gesperrt; eine Umleitungsstrecke ist ausgewiesen. Die Bushaltestelle Poststraße wird aufgehoben; der Linienbus über Lollfuß zum Domziegelhof geleitet. Halteverbotsschilder im angrenzenden Verkehrsreich wurden bis gestern aufgestellt. Die Stadt bittet die Anwohner und Verkehrsteilnehmer um Verständnis.

Der Rückbau der ehemaligen Hertie-Gebäude bildet den baulichen Auftakt zur Sanierung der Schleswiger Innenstadt. Mit der Freilegung der Grundstücke Stadtweg 66 bis 68 wird eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um den westlichen Eingangsbereich der Schleswiger Fußgängerzone aufzuwerten und künftig attraktiver zu gestalten. Am Dienstag, 12.Juni, beginnen die (maschinellen) Abbrucharbeiten auf dem Grundstück Stadtweg 68. Die von den Abbrucharbeiten ausgehenden Beeinträchtigungen werden so gering wie möglich gehalten. Trotzdem lassen sich Störungen wie beispielsweise durch Staub und Geräusche durch die Baumaschine nicht gänzlich ausschließen. Das Abbruchunternehmen Peter Glindemann – Kieswerke-Erdbau-Abbruchtechnik GmbH & Co KG – bittet daher, die Fenster und Türen während der Arbeitszeit zwischen 10.30 und 18 Uhr weitestgehend geschlossen zu halten.

 

Galerie Abbruch

 

 

Verfüllung des Kellers

Nach dem Abbruch des Hauses Stadtweg Nr.68 im Juni diesen Jahres ist von den derzeitig stattfindenden Sicherungsmaßnahmen von außen kaum etwas zu sehen. Auffällig sind die unzähligen Betonmischer, die regelmäßig die Baustelle anfahren. In ihnen befindet sich jedoch kein Beton, sondern ein spezieller, hochverdichtender Flüssigboden, der Mitte August 2018 in das Kellergeschoss gepumpt wird.

Dafür musste zunächst eine Öffnung von dem alten Verladehof in das erste Obergeschoss hergestellt werden. Durch diese Wandöffnung pumpt ein Spezialfahrzeug durch lange Schläuche den Flüssigboden in das Erdgeschoss. Hier sickert der Flüssigboden durch 47 gebohrte Löcher in das Kellergeschoss. Gegenwärtig ist der Keller bereits zur Hälfte verfüllt. Insgesamt nimmt der Keller 2600 m³ Flüssigboden auf, die von 347 Betonmischern angeliefert werden.


Für den erfahrenen Bauleiter Jörn Wiese ist eine Verfüllung in dieser Größenordnung nicht alltäglich. „Meistens verfüllen wir gereinigte Tanks, die zum Verbleib im Erdreich vorgesehen sind. Das hier ist schon etwas Besonderes.“ Mitte September wurde dieser Arbeitsschritt abgeschlossen.
Die Maßnahme  aufgrund des hohen Grundwasserspiegels notwendig, um ein Aufschwemmen der Sohle der Kaufhaus-Ruine zu verhindern, nachdem mit dem Abbruch begonnen wurde.

Nach dem Verfüllen des Kellers erfolgt eine Versteifung der Zwischendecke des ersten Obergeschosses, damit auf dieser Ebene ein acht Tonnen schweres Bohrgerät fahren kann. Das Spezialgerät bohrt durch die Gebäudenordwand schräge nach unten Löcher in den Hang, in die Sicherungsanker eingebracht werden. Besonderes Augenmerk legen die Planer auf die Wurzeln der Bäume in der angrenzenden Michaelisallee. Alle Anker werden so gesetzt, dass die Wurzeln keinen Schaden nehmen. Die so gesicherte Nordwand bleibt erhalten und verhindert ein Abrutschen des Hanges nach Abbruch des Kaufhauses.

Wenn alles reibungslos verläuft, beginnt der weitere Abbruch der Kaufhaus-Ruine in der zweiten Oktoberwoche. Die Schadstoffsanierung ist abgeschlossen und die Entkernungsarbeiten befinden sich in der Endphase. Bei dem Rundgang durch die Ruine fallen die Unmengen an Metall auf, die aufgehäuft in jedem Geschoss liegen. „Das Metall bleibt im Gebäude liegen. Während des Abbruchs trennen wir es maschinell vom Bauschutt“, erklärt Jörn Wiese.

Die Entkernung brachte einen interessanten Wandschmuck in dem ehemaligen Restaurant zum Vorschein. Jahrelang versteckten sich hinter einer Wandverkleidung großflächige historische Postkartenmotive. Die Bilder schmückten in den Anfangsjahren des Grimme-Kaufhauses, das im September 1965 seine Türen öffnete, die Wände des Restaurants. Nun sind sie kurzzeitig wieder sichtbar geworden.

 

 

 

Bürgermeister startet den Abbruch

Am Donnerstag, dem 25. Oktober, läutete Bürgermeister Dr. Christiansen persönlich den maschinlellen Abbruch ein. Der Abbruch des alten Hertie-Kaufhauses ist ein seit Jahren erklärtes Ziel des Bürgermeisters. Darum ließ er es sich auch nicht nehmen, persönlich diesen innerstädtischen Schandfleck „anzubaggern“. Unterstützung erhielt er von Baggerfahrer Ralf Kirchwehm, der dem Bürgermeister eine Einweisung auf die große Abbruchmaschine gab. „Minibagger bin ich schon gefahren, aber das hier ist etwas anderes“, erzählte ein gut gelaunter Bürgermeister den Pressevertretern.

Diesen Termin ließen sich auch IGL-Vorsitzende Klaus-Peter Jeß und Helge Schütze vom Stadtmarketing nicht entgehen. „Wir möchten uns selbst von dem Fortschritt hier überzeugen. Ich hoffe, dass hier bald ein Baukran steht, wie auf den Königswiesen oder der Freiheit und sehe die Entwicklung positiv“, so der IGL-Vorsitzende. „Ich freue mich auf den Neubau, das ist das einzige, was interessant ist“, merkte Helge Schütze an.
Die Sicherung der Nordwand mit insgesamt 27 Ankern ist in drei Wochen abgeschlossen, dann geht der Abbruch richtig los. 19 Anker sind schon in das Erdreich unter der Michaelisallee eingebracht, sie haben eine Länge von bis zu 16 Metern. Das Verfüllen des Kellergeschosses mit 2300 m³ Flüssigboden ist abgeschlossen, ebenso wie die Schadstoffsanierung.

Die positive Stimmung über den endlich stattfindenden Abbruch wurde zwei Tage zuvor auf der Sitzung des Bau- und Umweltschusses getrübt. Björn Sothen von dem Projektentwickler BIG Städtebau referierte über den Sachstandsbericht Innenstadtsanierung. Ganz nebenbei stellte sich heraus, dass die Vermarktung des Hertie-Grundstückes erst nach Abschluss des Freiraumplanerischen Wettbewerbes starten kann, also erst Ende nächsten Jahres. Diese Vorgabe macht der Fördermittelgeber. „Das ist problematisch für unseren Zeitplan“, so Dr. Christiansen. „Ich möchte das Grundstück schnellstmöglich auf den Markt bringen.“ Bauamtsleiterin Manja Havenstein stellte klar, dass der Terminplan für die Innenstadtsanierung immer so kommuniziert wurde. „Das muss der Stadtverwaltung doch schon lange bekannt gewesen sein. Ich hoffe, dass es nicht genauso ein Dilemma wird, wie beim Theatergrundstück“, machte Peter Clausen (SSW) deutlich.

Bürgermeister Dr. Christiansen regte an, mit der Vermarktung unabhängig von dem Freiraumplanerischen Wettbewerb zu beginnen. Das ist grundsätzlich möglich, auch wenn die BIG-Städtebau eine ganzheitliche Entwicklung zusammen mit den Freiräumen und dem Parkhausquartier favorisiert.

 

 

 

Weitere Medien:

Video vom Abbruch (Youtube, Dezember 2018)

Video vom Abbruch (Youtube, Januar 2019)

360°-Panorama vom Abbruch (Januar 2019)