In alten Zeiten war er ganz von Wald umgeben und ein Dorf lag daran, das zu St. Jürgen in Schleswig
eingepfarrt war.
Hier wohnte einmal ein reicher Bauer, dessen schöne Tochter einen armen Knecht liebte und ihm Treue
gelobt hatte. Aber der Vater wollte sie einem reichen Hufner geben, und die Hochzeit ward auf den
Pfingsttag angesetzt. Zum letzten Male sahen sich am Abende vorher die Liebenden an dem großem Steine,
der noch am Ufer des Sees liegt.
Als nun am andern Morgen Braut und Bräutigam mit ihren Verwandten über den See zur Stadt fuhren,
ertönte plötzlich die Totenglocke, wie es bei uns Sitte ist, wenn einer gestorben ist.
Und in demselben Augenblick erhub sich ein gewaltiger Wirbelwind, das Boot schlug um und alle ertranken.
Die Leichen fand man bis auf die der Braut; sonst hätte man sie mit ihrem alten Liebsten begraben, dem
das Läuten gegolten hatte. Aber in der Pfingstnacht steigt nun ein wunderschönes Mädchen in prächtigen Kleidern
aus dem See, setzt sich auf jenen Stein und kämmt singend ihr langes goldnes Haar, bis der Morgen graut.
Dann verschwindet sie wieder im See, der nach ihr der Brutsee heißt.
Die oben wiedergegebene Version der Sage stammt aus der Sammlung von Karl Müllenhof. Eine andere Fassung wird von dem Stadtchronisten Ulrich Petersen überliefert :
daß sie den Bräutigam zu ewigen Tagen weder annehmen, noch die Ehe mit ihm vollziehen wolle.
Trotzdem habe sie sich später mit ihm ausgesöhnt.
Als nun nach vollzogener Trauung in der St.Jürgens-Kapelle das junge Paar den Weg an diesem See entlang nach seiner
Wohnung eingeschlagen habe, sei ihnen plötzlich der Teufel erschienen, habe die junge Frau an ihren übertretenenen Eid
erinnert und sie in ihrem Brautschmuck in den See gestürzt und ertränkt.
“Ob nun diese unglückselige Braut sich noch alle Jahr einmal an dem Tag ihrer betrübten Hochzeit bei Aufgang der Sonne
in ihrem Brautschmuck sehen lasse, davon ist außer der gemeinen Sage kein bewehrtes Zeugnis zu produciren.”
Im Jahr 1928 erschien ein von Heinrich Hornig auf Plattdeutsch verfasstes Gedicht zur Brautsee-Sage in dem Buch “Die Heimat” :
De Bur süht drang un düster ut sien Oogen drauht verbeten Wut
De smucke Dochder, bleek as Snee sackt vör ern Vadder in de Knee :
“Näe Vadder,nä, ick heff ern leev, un eer ik de Looppaß geev :
gah ick to Water, gans gewiß, so woar en Gott in Hebn is !”
“Leev hen, Leev her, hol op mit Dröhn ! Du friest den rieken Grotbursöhn !”
He givt den Disch en glupschen Stoot, dat Glas un Buddel danzen doot
grippt fünsch na Toom un Sadeltüch, ritt wranti över Brook un Brügg
Hei Didldumdum, hei didldumdum, dat Leben lacht as Blöt in Mai
Twee Grotburn riek an Veh und Kram
de gevt eer Kinner hüt tosam
De Hochtiedswaag höllt vör de Dör
mit övermödig Schimmels vör
Klarinett un Fidel speelt so lut
wo blivt de Brut ? Ja de is narms to finn
dat wart en Loopn her und hin
Dat ward en Hoopn ho und he
Dat ward en Sökn bet an See
Se sökt un Brut un findt en – Liek
verbiestert swiggt de Köstmusik
To Enn un ut dat Brutgelagg
boom still ist, as na´n Donnerslag
En Schadden still ist, as na´n Donnerslag
En Schadden överminschengrot
treckt hoffvörbi – de sture Dod !
Anmerkungen zur Geschichte des Brautsees :
Der Heimatforscher Heinrich Philippsen (1858-1936) schreibt über den Brautsee, das in der “Registratur, Inventation, Extract und Nachrichtung aller Brieff und Siegel ec.” aus dem Jahr 1624 nicht nur 7 Ratsteiche aufgelistet werden, sonder auch der “Braudt-Sehe”, den damals der ganze (Stadt)Rath in Gebrauch hatte.
Weiter heißt es bei Philippsen, das der “zum Ratsstuhl gehörige” Brautsee, eigentlich “Brutsee” geheißen, der zu Ulrich Petersens Zeit (1656-1735) “an des adel. Klosters Sct.Johannis lustigem Walde, der St.Jürgener Feldmark und an dem Wege nach Angeln in einem anmutigen Thale” lag, hat die Wandlungen der Zeiten überstanden und ist auch heute (1923) noch ein “Schönfleck” der Landschaft.
In früherer Zeit lieferte der See den Schleswigern Barsche, Hechte, Aale und Brachsen. Der See wird ursprünglich als “Brutsee”, d.h. zum Aussetzten von Fischbrut benutzt worden sein und hat daher seinen Namen erhalten. Durch die zunehmende Verbreitung der hochdeutschen Sprache wurde aus dem “Brutsee” der “Brautsee”.
Übrigens liegt der Brautsee in dem tieferen Teil einer sogenannten “Toteissenke”. Diese Hohlform entstand durch das Ausschmelzen eines nach der letzten Eiszeit im Untergrund verbliebenen Eisblockes (Toteis-Effekt). Diese Hohlform füllt der Brautsee.
Heinrich Philippsen, Alt-Schleswig
Kleiner Umweltführer der Stadt Schleswig, Stadt Schleswig, 1989