In der Nachkriegszeit gab es in der Schleistadt keine bedeutende Industrie, sondern lediglich einige kleinere produzierende Betriebe wie z.B. die Firma ESWIG, die in den alten Baracken in der Königstraße Ultraschallgeräte herstellte oder die Haarhutfabrik in einem Gebäude hinter Schloß Gottorf. Der erste solidere Betrieb war die Kartoffelverwertungsgesellschaft Cordes und Stoltenburg. Hauptaktionär dieser Gesellschaft zur Herstellung von Industrie-Alkohol war der Hamburger Industrielle Konsul Cordes.

Am 11.August 1949 nahm der Hauptausschuss davon Kenntnis, dass die Herren Klinker aus Uelsby und Stoltenburg die Stadt informiert hatten, dass sie von der Landeskrankenhaus 5 Hektar Land an der Straße nach Kappeln für den Bau einer Spritfabrik erwerben möchten. Das LKH wollte als Gegenleistung ein Gelände auf der Westseite der Straße haben, das bis dahin der Stadt Schleswig gehörte. Diese Grundstücksangelegenheit wurde jedoch schnell geregelt.

Mit der Herstellung der Fundamente wurde am 15.März 1950 begonnen, bereits am 18.September 1950 wurde die Anlage in Betrieb genommen. Die Fabrik bestand ursprünglich aus diesen Bereichen: Brennerei mit dem Turm, Malz- und Alkoholkeller, Kesselhaus, Gär- und Schlempebehälter.

Die Malzanlage für das Getreide befand sich im Keller, darüber wurden der große Getreidelagerraum sowie Büro- und Sozialräume eingerichtet. An die Mälzerei gliederte sich das Brennereigebäude an, für die Hauptkolonne (Destillationsapparate) war der Bau eines Turmes notwendig. An die Brennerei war der Gärbehälter angeschlossen, dieser bestand aus neun einzelnen Zellen mit einem Grundriss von 3m * 3m bei einer Höhe von 4m. Neben dem Gärbehälter befand sich der Schlempebehälter als Verlängerung des Gebäudes.

In dem separaten Kesselhaus wurden weiterhin die Werkstatt sowie die Trafostation untergebracht.

Zudem erhielt die Spritfabrik einen Anschluss an Kreisbahnstrecke Schleswig-Satrup. Die Baustelle wurde von einem Zollbeamte überwacht, der aufpassen sollte, dass keine Möglichkeiten zur illegalen Alkoholentnahme eingebaut werden.

Die Fabrik wurde zur Herstellung von 95% Feinsprit errichtet, die Produktion fand an 250 Tagen im Jahr statt. Als Abfallprodukt viel die sogenannte Schlempe an, die ein gefragtes Futtermittel für Milchkühe war. Über besondere Schlempe-Tankstelle auf dem Gelände der Spritfabrik wurde dieses Futtermittel an die Bezieher vor Ort in flüssiger Form abgegeben, nach einer Trocknung wurde die Schlempe auch an Fernbezieher verschickt.


Die Baugeschichte der Fabrik in Kurzform:

 

März 1950
Mit den Betonierungsarbeiten der Fundamente wurde begonnen.

April 1951
Anbau eines Betriebslager (Erweiterung des Spritkellers) an der Nordseite des vorhandenen Gebäudes.

Oktober 1951
Errichtung einer Eigenbedarftankstelle. Bis dahin bezog die KVG ihren Dieseltreibstoff aus Fässern, bzw. mussten die Fahrzeuge an Tankstellen tanken.

September 1956
Teilverblendung der Fassade mit roten Vormauersteinen, im Bereich der Gärbottiche ist der Zementaußenputz infolge der Wärmespannungen abgeplatzt.

Juli 1957
Neubau eines zweigeschossigen Lagergebäudes über dem Spritkeller, die betrieblichen Belange machten es notwendig, im Erdgeschoss eine Anlage zur Aufbereitung von Hefebakterien mit vier Brutkammern einzubauen.

April 1958
Anbau eines Lagerschuppens an das vorhandene Kesselhaus.

Juli 1958
Neubau eines massiven Lagerschuppens.

Juni 1959
Herstellung eines zweiten Rohrbrunnens.

August 1963
Erweiterung des Lagerschuppens.

April 1964
Der an der Nordseite des Kesselhauses gelegene, bisher als Lager und Werkstatt genutzte Raum wurde für die Aufstellung von vier Gärbottichen umgebaut und hergerichtet.

Mai 1965
Einbau von zwei neuen Dämpfern und zwei neuen Vormaischbottichen in den vorhandenen Maischeraum, Einbau einer kontinuierlich arbeitenden Maische- und Destillieranlage.

Juni 1966
Einbau einer neuen Maischekolonne im Bereich des Erd- und Kellergeschosses. Einbau einer neuen Destillationsanlage im Turm.

Juni 1969
Einbau einbes neuen Dampfkessels, Bau eines 36m hohen Schornsteines (Verlängerung des vorhandenen Stahlblechschornsteines).

August 1969
Erweiterung des Kesselhauses.

August 1970
Errichtung eines Schnellumlauftrockners mit Ölfeuerung.

April 1971
Gärbottiche aus Beton wurden durch solche aus Chromnickelstahl ersetzt.

Mai 2001
Inbetriebnahme einer Anlage zur Herstellung von Biosdiesel und Glyzerin.

2012
Werkschließung

 

 

Galerie Neubau Spritfabrik

 

 

Fotos: Werksarchiv Kartoffelverwertungsgesellschaft