In den 1930er Jahren erschien dieser Aufsatz eines unbekannten Autors in einer Fachzeitschrift. Meiner Meinung nach ist es ein sehr informativer Bericht über die Landesheilanstalt, daher gebe ich ihn hier unverändert wieder. Die veröffentlichten Bilder stammen aus meinem Archiv.
Wer ebenfalls noch Bilder oder Unterlagen von dieser Anstalt besitzt und sie der „alten-schleihalle“ zur Verfügung stellen möchte, darf mir gerne eine Email schreiben.
Die Landesheilanstalt Schleswig – Stadtfeld
Ein besonderer Vorzug der Anstalt ist ihre schöne und freie Lage in unmittelbarere Nähe der sich anmutig am innersten Busen der Schlei hinziehenden Stadt Schleswig. Durch das Anstaltsgebiet erstreckt sich ein Tal, in dem ein Bach mit teichartigen Erweiterungen fließt, eine natürliche Grenze zwischen den Männern- und Frauenhäusern. Diese liegen auf mäßigen Anhöhen ohne einheitliche Gruppierung inmitten oder neben einem 30 ha großen Park mit alten Alleen, mannigfachen Baumgruppen, schönen Wiesen und Rasenflächen, und haben so reichlich frische Luft und lohnende Aussicht in die nähere und weitere Umgebung. Für solche Natureindrücke, die auf Spaziergängen und mit Ausflügen in die weitere Umgebung vertieft werden, sind viele Kranke empfänglich und dankbar, auch bei ihren Angehörigen und anderen Besuchern der Anstalt tragen die Schönheiten des Parkes, welche das etwas kasernenartige mehrerer der älteren Gebäude verwischen, zweifellos dazu bei, das alte Vorurteil gegen die „Irrenanstalt“ zu mildern. Die Instandhaltung der Anlagen, die ausgedehnte Blumen- und Nutzgärtnerei bietet für die Kranken anregende und gesunde Beschäftigung, ebenso wie der intensive Land- und Viehwirtschaftsbetrieb, für den ein größeres, dem eigentlichen Anstaltsgebäude angrenzendes Areal vorhanden ist.
Bis zur Eröffnung der Anstalt war das Los der Geisterkranken in Schleswig-Holstein sehr bedauernswert. Entweder waren sie in ihren Familien in kleinen, unhygienischen Räumen, einige sogar an Ketten gefesselt, untergebracht, oder, wenn sie gemeingefährlich wurden, in den Zuchthäusern Neumünster und Glückstadt verwahrt. Schon 1805 faßte man den Entschluß, in Kiel einen Neubau für die „Irren“ aufzuführen, durch politische Verhältnisse wurde dies jedoch vereitelt.
Der Staatsrat Suadicani, der das Los der Geisteskranken durch persönliches Studium genau kennen gelernt hatte, machte es sich zur Aufgabe, das Schicksal der Ärmsten zu verbessern. Da er in Kopenhagen großen Einfluß besaß, setzte er es endlich durch, daß am 7.Juni 1817 der Bau von der Regierung endgültig beschlossen wurde.
In den Jahren 1818 -1820 wurde als erstes das jetzt als Männerhaus bezeichnete Gebäude nach dem Plan des Südfranzosen Equirol, eines angesehenen Irrenarztes, ausgeführt. Es bestand aus einem Viereck mit Arkaden, die nach dem Innenhof offen waren. Am 1.Oktober 1820 wurde die Anstalt mit 112 Plätzen eröffnet; auf der einen Seite waren Männer, auf der anderen Frauen untergebracht. Für unseren Landstrich war der offene Säulengang ungünstig, weil er nur einen kleinen Teil des Jahres benutzt werden konnte, deshalb wurde dieser Gang durch Fenster verschlossen und es entstanden daraus Tagesräume, Kammern und Korridore. Hinter dem Nordflügel war ein Halbrund – Rondell genannt – angebaut, in dem an drei Korridoren „Zellen für Tobsüchtige“ lagen. Dieser Anbau war und blieb trotz allerlei Verbesserungen ungeeignet für die Unterbringung von Kranken und alle waren wie erlöst, als 1898 das ganze Halbrund abgebrochen und dafür ein großer, heller Neubau aufgeführt wurde.
Das Hauptgebäude in seiner ursprünglichen Form wird von dem Baurat Jackstein als ein überaus wertvolles Werk unseres heimischen Klassizismus bezeichnet. Leider ist es durch spätere An- und Umbauten seines eigentlichen Charakters beraubt worden. Zu damaliger Zeit war die Anstalt weit über die Grenzen der Heimat bekannt und berühmt, so daß nicht nur Provinzangehörige, sondern auch Hamburger, Norweger und Schweden ihre Kranken hier unterbrachten. So hat der große schwedische Dichter der Frithjofssage, Tegner, längere Jahre als Kranker hier verbracht. Er hat geheilt die Anstalt verlassen.
Da nun die Zahl der Kranken ständig zunahm, war die Anstalt bald überfüllt und vom Jahre 1834 an begann eine rege Bauperiode. Mit wachsendem Bedürfnis wurden bis zum Jahre 1895 nacheinander zwei Männer- und zwei Frauenhäuser aufgeführt. Diese Gebäude waren nach dem Korridorsystem gebaut, hatten noch keine Wachsäle, aber ziemlich viele Zellen. Die damalige Vorliebe für größere Bauten erklärt sich vor allem aus dem Bedürfnis, mit beschränkten Mitteln möglichst viele Krankenplätze zu gewinnen, weil man ärztlicherseits der richtigen Ansicht war, daß die Kranken in solchen Anstaltsbauten immer noch besser untergebracht waren, als in Armen- und Arbeitsanstalten, und weil der Staat oder die Provinz sehr wenig geneigt waren, größere Mittel für dieselben aufzuwenden. Bei Gründung der Anstalt war gleich bestimmt worden, daß die neue Anstalt sich nach ihrer Fertigstellung aus ihren verhältnismäßig nicht hoch angesetzten Verpflegungsgeldern ohne Staatszuschuß erhalten müsse. Daß dieses bis in die 70er Jahre hinein nicht nur möglich war, sondern sogar erhebliche Summen für Neubauten erspart wurden, erklärt sich durch eine schon frühzeitige Einrichtung sparsamer Zentralanlagen, aus der damaligen Anspruchslosigkeit hinsichtlich des Kubikraumes für den einzelnen und aus der Einfachheit der Einrichtungen, trotz guter Solidarität der Gebäude, da die eigentliche, noch in den Kinderschuhen steckende Behandlung der erregten Kranken in betriebs- und bautechnischer Hinsicht verhältnismäßig wenig Ansprüche machte.
Außerdem waren den Neubauten entsprechend viele Wirtschaftsgebäude entstanden und die sanitären Anlagen verbessert worden.
Ende der vierziger Jahre hatte man die ersten Landankäufe für einen landwirtschaftlichen Betrieb getätigt. Durch wiederholten Landerwerb ist das Gesamtareal im Laufe der Jahre auf gut 140 ha gewachsen, wovon die Landwirtschaft eine Fläche von reichlich 110 ha benutzt, während für Gebäude, Höfe und Gärten etwa 30 ha beansprucht werden.
1851 begann man mit der Kanalisation und der Anlegung von Spülaborten im Frauenhauptgebäude. Da mit der Zeit diese Anlagen immer weiteren Umfang annahmen, legte man zur Unschädlichmachung der Abwässer Kieselwiesen an. Diese waren nach englischen Muster die ersten ihrer Art in ganz Deutschland und bewährten sich vorzüglich.
Das größte Haus der Anstalt ist das Frauennebenhaus, das von 1866-1877 in Staffeln gebaut wurde. Es besteht aus einem großen in sich geschlossenen Viereck. In diesem befinden sich neben den Krankenräumen die Kirche und der Festsaal. Der hintere Flügel hatte ursprünglich 28 Zellen, die aber bis auf zwei alle eingegangen und durch Zusammenziehung zu Wachsälen umgebaut worden sind. Diese beiden letzten Zellen werden als solche auch nicht mehr benutzt, sondern sind nur Schlafzimmer. Von der großen Zahl Zellen, die früher in der anstalt vorhanden waren, bestehen heute nur noch im ganzen acht und diese werden glücklicherweise heute nur noch in besonderen Ausnahmefällen gebraucht. Ursprünglich hatte das Frauennebenhaus eine Belegungsfähigkeit von 287 Kranken, heute nur noch von 181. Diese Verminderung ist z.T. darin begründet, daß bis zum Kriege zwei Abteilungen in Untergeschoßräumen untergebracht waren. Vor sechzig Jahren empfand man diese Unterbringung von Kranken auch nicht als nicht einwandfrei, obwohl die Räume sehr gut eingerichtet waren und vom Pflegepersonal auch sehr geschätzt wurden. Seit ungefähr 15 Jahren gibt es in der Anstalt keine Kellergeschoßräume mehr, in denen Kranke wohnen.
Als Abschluß dieses Bauabschnittes wurde 1878-79 die Männernebenanstalt im nördlichen Teile der Anstalt erbaut. Es ist ein großes Haus im Korridorsystem, das ungefähr 200 Kranken Platz bietet.
Die Fortschritte, die die Psychiatrie in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts machte, drängten dazu, auch in der Anstalt Stadtfeld Verbesserungen moderner neuzeitlicher Art zu treffen und eine freiere Behandlung einzuführen. So wurden 1895 als erstes ein offenes Haus für landwirtschaftliche Arbeiter und je ein Krankenhaus für Frauen und Männer mit einem Wachsaal gebaut.Außerdem richtete man allmählich auch in den anderen älteren Häusern Wachsäle ein.
Bei der Größe der Anstalt – 1900 wurden 900 Kranke verpflegt – aber genügten die vorhandenen Räume nicht mehr. Deshalb wurden bis zum Kriege fünf große Frauenhäuser mit ungefähr 300 Betten aufgeführt. Es hatte sich bei der Wachsaalbehandlung herausgestellt, daß man Ruhige und Unruhige im Interesse der Kranken trennen mußte. Deshalb waren von den Neubauten zwei für unruhige, zwei für halbunruhige und ein Haus für ruhige, sieche Kranke vorgesehen. Außerdem wurde an das „halbunruhige“ Haus eine Lazarettabteilung für Tuberkulose angebaut, um die infektiösen Kranken, die oft sehr unsauber mit ihren Ausscheidungen umgehen, abzusondern und die anderen Kranken vor Infektionen zu schützen.
Auf der Männerseite wurde außer den beiden oben angeführten Neubauten 1906 eine Abteilung mit 36 Betten für unruhige und gewaltbereite Kranke im Villenstil gebaut. Daneben wurden andere Abteilungen durch Um- und Anbauten zu Wachsälen hergerichtet.
Während des Krieges ruhte naturgemäß die Bautätigkeit. Allerdings mußte 1917 das Gebäude, in dem die Wäscherei untergebracht war, nach einem Brande wiederaufgebaut werden.
Als der Krieg ausbrach, waren einige von den neuen Häusern noch im Bau. Diese wurden aber beschleunigt fertiggestellt und zwei davon als Reservelazarette benutzt.
Da durch die Hungerblockade auch viele Kranke früher als in normalen Zeiten starben und die Krankenziffer im Kriege erheblich sank, standen in den ersten Jahren nach dem Kriege einige Krankenhäuser unbenutzt. Deshalb wurde ein Frauenhaus einige Jahre der Stadt für Notwohnungen zur Verfügung gestellt und ein Haus auf der Männerseite diente zeitweilig als Heilstätte für geistig gesunde Lungenkranke. Als aber die Krankenzahl allmählich wieder anstieg, mußten auch diese Gebäude wieder mit Geisteskranken belegt werden. Heute hat die Anstalt 27 Frauenabteilungen mit 714 Betten und 20 Männerabteilungen mit 653 belegbaren Betten.
Wenn nach dem Kriege keine neuen Gebäude für Kranke gebaut wurden, so hat das seinen Grund darin, daß die Anstalt ausgebaut ist, d.h. wenn noch mehr Bauten aufgeführt werden, so würden die Wirtschaftsgebäude, wie Wäscherei und Küche, für den Betrieb nicht mehr ausreichen. Außerdem würde ein noch umfangreicherer Betrieb zu unwirtschaftlich und zu unübersichtlich werden.
In den letzten Jahren hat sich dafür im Innern der Häuser die Entwicklung vom Bewährungshause zum neuzeitlichen Krankenhause vollzogen, so daß jetzt die Krankenräume mit ihrem helleuchtenden Anstrich, neuen Möbeln, Vorhängen und Bildern einen sehr freundlichen, wohnlichen und behaglichen Eindruck machen. An die Stelle der Ofenheizung ist die Zentralheizung getreten.
Außer den angeführten Krankenhäusern wurden natürlich noch viele Wirtschaftsgebäude und Werkstätten aufgeführt. Die Anstalt bekam 1887 ein eigenes Gaswerk, das später, als das elektrische Licht seinen Siegeslauf antrat, zu Wohnungen umgebaut wurde. Außerdem wurde 1906 ein eigener Wasserturm auf dem Gelände der Anstalt errichtet, ein architektonisch schönes Bauwerk, um das sie vielfach beneidet wird.
In weitblickender Weise hat die Verwaltung von jeher für einen Teil der Beamten Wohnungen gebaut. Heute besitzt die Anstalt fast 80 Beamtenwohnungen innerhalb eines Areals von 30 ha. Davon sind erst in den Jahren 1925-27 allein 15 neue entstanden.
In der Anstalt Stadtfeld scheint im Vergleich mit anderen Anstalten die Zahl der Wachsäle sehr hoch zu sein; das beruht auf der Einrichtung der sogenannten Privatanstalten. Im Jahre 1849 schon wurde zur Entlastung der stets überfüllten Anstalt, auf Veranlassung der Provinz eine Reihe von Privatanstalten ins Leben gerufen, deren Zahl später auf neun stieg. Heute haben wir noch sechs solcher Anstalten mit ungefähr 280 Betten. Nach Bedarf werden chronische Kranke, die nicht mehr einer besonderen Behandlung bedürfen und sich hier nicht beschäftigen, in diese Anstalten überwiesen, damit sie dort in den meist ländlichen freieren Betrieben der kleinen Anstalten oft selbst zur Arbeit sich entschließen oder sich leichter dazu heranziehen lassen. Falls sich eine Veränderung in dem Zustand der Kranken bemerkbar macht, werden diese wieder in die Hauptanstalt zurückverlegt. So kommt es vor, daß ein Teil der ruhigen Kranken aus der Anstalt herausgezogen ist und die unruhigen Elemente bei weitem mehr als anderswo überwiegen.
Neben der Krankenpflege ist in der Anstalt von jeher wissenschaftlich gearbeitet worden. Es würde im Rahmen dieser kleinen Schrift zu weit führen, alle Veröffentlichungen, die im Laufe der Jahre aus der Anstalt hinausgegangen sind, anzuführen. Um die wissenschaftliche Forschung weiter zu fördern, hat die Verwaltung nach dem Kriege neue Laboratorien eingerichtet, eine neuzeitliche Röntgeneinrichtung und viele andere elektrische Heilgeräte beschafft. Dank des Verständnisses, das die Behörde den ärztlichen Wünschen entgegengebracht hat, ist die Anstalt in jeder Beziehung wie ein modernes Krankenhaus eingerichtet.
Im Jahre 1914 wurde die Bezeichnung „Provinzial-Irren-Heil-und Pflegeanstalt“ verändert in „Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt“. Einzelnen Kranken und Angehörigen ist damit ein Wunsch erfüllt, da sie an der Bezeichnung „Irrenanstalt“ Anstoß nahmen. Neuerdings wird die Bezeichnung nochmals in „Landesheilanstalt“ umgeändert.