Beim Durchsehen meiner Postkartensammlung habe ich eine Karte mit einer Ansicht des Geschäftes Horwitz in der Mönchenbrückstraße 3 gefunden. Ich muss gestehen, dass mir diese Karte bisher nicht weiter aufgefallen war und ich mich bisher auch nicht mit der Geschichte dieser Firma auseinandergesetzt habe.

Das Geschäft für Herren- und Knabengarderobe, Arbeiterkonfektion, Schuhwaren sowie Hüte und Mützen war eine Besonderheit in Schleswig. Die Inhaber, die Brüder Alexander und Isidor Horwitz (geb. am 14. August 1874), gehörten zur jüdischen Glaubensgemeinschaft. Die stark wachsende Macht der Nationalsozialisten und der damit verbundene Haß auf alles Jüdische trieben Isidor Horwitz dazu, sein Leben am 17. März 1932 durch eigene Hand zu beenden.

Bekleidungsgeschäft Gebr. Horwitz,
Mönchenbrückstraße 3

Nach seinem Tod wurde das Gerücht gestreut, Horwitz wäre in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen, es drohte womöglich der Konkurs. Ein Blick in die bis heute erhaltenen Gewerbesteuerakten des Konfektionsgeschäftes beweisen jedoch das Gegenteil – der Betrieb war gesund.

Die genauen Todesumstände sind nicht bekannt, es liegt aber die Vermutung nahe, dass Isidor Horwitz von den Nationalsozialisten diskriminiert und gesellschaftlich isoliert wurde.

Mit dieser schmucklosen Traueranzeige
gaben Rose und Liselotte Horwitz
den Tod von
Isidor Horwitz bekannt.
Schleswiger Nachrichten 21. März 1932

Erstmals wird das Geschäft der Gebrüder Horwitz im Adressbuch von 1906 erwähnt, das genaue Gründungsjahr ließ sich bisher nicht ermitteln. Sein Bruder Alexander, genannt Alex, war lediglich Teilhaber des Geschäftes und lebte in Berlin. Er wanderte ein Jahr nach dem Freitod seines Bruder über Holland und Belgien nach Frankreich aus. Deutsche Besatzungstruppen fanden ihn und seine Frau. Beide wurden am 12. Februar 1943 im Konzentrationslager Ausschwitz ermordet.

Auch Isidors Witwe Rose Horwitz wollte nach dem Freitod ihres Mannes nicht in Schleswig verbleiben, sie fand jedoch für das Geschäft keinen anderen Pächter oder Käufer. Mit einem Brief wandte sich Rose Horwitz an den Magistrat der Stadt Schleswig und bat um Erlass der noch ausstehenden Gewerbesteuer in Höhe von 6,31 Reichsmark sowie der Gewerbesteuervorauszahlung. Die Stadt kam ihrer Bitte nach.

„Wahrscheinlich werde ich mir anderswo mit meiner Tochter ein Zimmer mieten, um so zu versuchen, leben zu können“,

schrieb Rose Horwitz in dem Brief, der das Datum vom 14. Juni 1932 trägt.

Einen Tag später meldete sie das Geschäft ab und zog bald darauf aus Schleswig fort. Das Geschäft erwarb die Flensburger Firma Friedrich Methmann am 28. November 1932. Methmann unterhielt bereits im Stadtweg eine Filiale für Pelzwaren, Hüte und Mützen. Damit geriet die Geschichte um das Schicksal des Isidor Horwitz ersteinmal ins Vergessen.

Ein Foto der Gegensätze:
Im Oktober 1932 wurde dieses Foto anlässlich einer Fahnenüberführung des IX. Armeekorps in den Hirschsaal von Schloß Gottorf aufgenommen. Die unifomierten Nationalsozialisten marschierten mit ihrem Festzug durch die Mönchenbrückstraße, vorbei an dem Geschäft der Gebr. Horwitz, das zu dem Zeitpunkt schon ein halbes Jahr geschlossen war. Das Firmenschild ist aber noch deutlich auf dem Foto zu erkennen.



Ins Interesse der Öffentlichkeit kam Isidor Horwitz wieder im September 2003. Der Künstler Gunter Demnig legte vor dem ehemaligen Geschäftshaus in der Mönchenbrückstraße einen Stolperstein, um damit an das Schicksal des jüdischen Geschäftsmannes zu erinnern.
Seit 1993 verlegt Gunter Demnig Stolpersteine gegen das Vergessen in ganz Deutschland und Europa. Mittlerweile sind es einige Tausend der kleinen, mit Inschrift versehenen Messingsteine. Einer dieser Stolpersteine erinnert seit dem 2. September 2003 an Isidor Horwitz mit der Inschrift

„Hier wohnte
ISIDOR HORWITZ
JG.1874
Freitod
17.3.1932.

Stolperstein Isidor Horwitz

Die Verlegung des ersten Schleswiger Stolpersteins initiierte Peter Köster, damaliger Regionsvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Er holte den Künstler Gunter Demnig nach Schleswig-Holstein.

Der Historiker Erich Koch beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Geschichte und dem Schicksal der Juden in Schleswig-Holstein. Seinen Angabe zufolge lebten um 1840 die meisten Menschen jüdischen Glaubens in Schleswig, nämlich 113 Personen. Synagogen und andere Betstätten bestanden meist in angemieteten Räumen. Seinen Recherchen zufolge gab es Synagogen in einem Hinterhaus im Stadtweg sowie im Gasthaus „Alte Börse“ am einstigen Hohen Tor an der Ecke Lange Straße/Schlachterstraße . In der Zeit von 1854 bis 1889 hatte die jüdische Gemeinde einen Saal im Bardenflethschen Stift am Gallberg von der Stadt angemietet, um ihn als Betsaal zu nutzen. Da es in Schleswig keinen jüdischen Friedhof gab, wurde die Verstorbenen in Friedrichstadt oder in Westerrönfeld bestattet.

Im Oktober 1951 fragte die „Jewish Trust Corporation for Germany“ bei der Stadt Schleswig an, ob sich früher jüdische Geschäfte in Schleswig befanden.

Wir haben gehört, dass ein Herr Horoviz oder Horvitz früher ein Geschäft in Schleswig gehabt haben soll,

heißt es in der Anfrage.


Daraufhin teilte die Stadt Schleswig der „Jewish Trust Corporation fpr Germany“ mit, dass sich nur ein jüdisches Geschäft in Schleswig befand – das von Isidor Horwitz, der am 17. März 1932 verstarb.

Am 24. August 2004 verlegte der Künstler Gunter Demnig zwei weitere Stolpersteine in Schleswig. Vor dem Haus in der Michaelisstraße Nr.27 erinnern seitdem Messingsteine an Berek und Wolf Zarnowski, die beide 1939 nach Belgien geflohen sind. Berek Zarnowski wurde später inm Konzentrationslager Ausschwitz ermordet, das genaue Datum ist unbekannt. Wolf Zarnowski wurde am 17. Februar 1945 im Konzentrationslager Buchenwald getötet.

Stolpersteine Berek und Wolf Zarnowski

Weblinks:
Gunter Demnig: www.stolpersteine.de
Liste der Stolpersteine in Schleswig-Holstein